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AutorenbildUwe Holzhausen

Wie Traumata unser Erwachsenenleben prägen


"Warum flippe ich total aus wenn er mir sagt das er keine Zeit hat?"

"Wieso reagiere ich mit Rückzug sobald jemand in meinem Umfeld lauter wird?"


Vielleicht hast du dir diese Fragen selbst schon einmal gestellt und dich gefragt was hier eigentlich gerade vor sich geht? Vielleicht kennst du auch das Gefühl, dass dich bestimmte Ereignisse oder Erlebnisse immer wieder einholen – ohne dass du genau verstehst, warum das so ist?!


Du stehst mitten im Leben, beruflich oder privat, und doch gibt es Momente, in denen sich alles schwer anfühlt. Situationen, die deine Energie rauben, Beziehungen, die kompliziert und distanziert sind, oder ein ständiger innerer Kampf mit dir selbst. Ich selbst kann davon ein Lied singen und kenne dieses Gefühl nur gut genug. Es hat jedoch Jahre gedauert, bis ich verstanden habe was da eigentlich gerade wirklich passiert - nämlich dass viele meiner Herausforderungen mit unverarbeiteten Traumata aus meiner Vergangenheit zusammenhängen.


 

Was ist ein Trauma und wie entsteht es?



Ein Trauma ist eine tiefe seelische Wunde die entsteht, wenn eine Person mit einer Erfahrung konfrontiert wird, die sie nicht verarbeiten kann. Dies können unter anderem:


  • der Verlust eines geliebten Menschen

  • eine toxische Beziehung

  • Mobbing in der Schule,

  • körperliche oder psychische Gewalt im Elternhaus

  • oder Vernachlässigung in der Kindheit sein.


    Das Gehirn reagiert in solchen Momenten mit dem „Kampf-, Flucht- oder Erstarrungs-mechanismus“,

um das Überleben zu sichern. Diese Reaktion bleibt oft auch nach der akuten Situation bestehen und beeinflusst, wie wir in der Zukunft auf ähnliche oder vermeintlich bedrohliche Situationen reagieren.


Besonders belastend sind Traumata, wenn sie in der Kindheit entstehen. Kinder sind verletzlicher, da sie noch nicht die emotionalen und kognitiven Werkzeuge besitzen, um extreme Stresssituationen zu verarbeiten. Frühe Traumata beeinflussen die Gehirnentwicklung, das Nervensystem und das Selbstbild eines Menschen und können das Erwachsenenleben stark prägen.


Bei diesen Ereignissen geht es auch nicht darum wie „schlimm“ ein Erlebnis objektiv war, denn das ist für jeden Menschen unterschiedlich – sondern darum, wie es uns innerlich getroffen hat. Bei mir waren es mehrere sehr schwerwiegende Erlebnisse, die sich über die Jahrzehnte angesammelt und tief in mir gewirkt haben, ohne das mir das wirklich bewusst war. Sie haben unbewusst meine Art zu fühlen, zu denken und zu handeln beeinflusst. Erst in den Situationen wo ich stark gestresst und eigentlich nur noch funktioniert und reagiert habe, wurde mir klar das da irgendwie mehr ist.



 

Trauma und seine Auswirkungen auf die Psyche


Ein Trauma ist aber nicht nur eine emotionale Reaktion - nein, es kann sich wie ein Virus in unserem Körper festsetzen und dort weiterleben, bis es uns völlig leer gesaugt hat. Manchmal wenn wir meinen wir hätten es erfolgreich verdrängt, kommt es wie ein Paukenschlag wieder und Situationen, die für die meisten Menschen total harmlos erscheinen, versetzen uns von eine Sekunde auf die andere in totale Panik oder lassen uns völlig erstarren. Wie als würde die jeweilige Situation wie ein Film an uns vorbeiziehen. Dies nennt man auch Dissoziation. Dadurch kann unser psychisches Erleben tief beeinflusst und unsere Wahrnehmung, Emotionen und Reaktionen unbewusst gesteuert werden. Oft realisieren wir nicht, dass diese alten Wunden immer noch in uns wirken. Sie sind wie unsichtbare Kräfte, die unsere Gedanken und Gefühle formen und unser Verhalten beeinflussen.


Die psychischen Auwirkungen können unter anderem sein:



Negative Gedankenschleifen

  • Nach traumatischen Erlebnissen können wir in negativen Gedankenschleifen gefangen sein. Unsere Gedanken kreisen immer wieder um dieselben Sorgen, Ängste oder Erinnerungen. Oftmals entsteht daraus ein Gefühl der Hilflosigkeit oder des Kontrollverlusts. Bei mir war es oft so, dass ich mich in Situationen wiederfand, in denen meine Gedanken mich überwältigt haben – dieses ständige Grübeln und die Frage: „Warum reagiere ich so?“



Trigger und Überreaktionen


  • Traumata hinterlassen Spuren, die uns auch im Alltag begleiten. Bestimmte Geräusche, Gerüche oder Situationen können als Trigger wirken und alte, unbewusste Erinnerungen wachrufen. In diesen Momenten reagiert das Nervensystem so, als wären wir wieder mitten im Trauma - es gibt keinen Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich habe oft bemerkt, wie ich auf scheinbar harmlose Dinge überreagiere – sei es durch plötzliche Wut oder den Drang, mich zurückzuziehen. Solche Reaktionen sind ein klares Zeichen dafür, dass alte Wunden noch nicht geheilt sind und uns weiterhin beeinflussen.



Selbstschutzmechanismen

  • Viele Menschen entwickeln nach einem Trauma unbewusste Selbstschutzmechanismen. Dazu gehören Vermeidungsstrategien, bei denen wir versuchen, uns vor möglichen Auslösern zu schützen, sei es durch emotionale Distanzierung, Rückzug oder das ständige Kontrollieren unseres Umfelds. Diese Mechanismen waren für mich lange Zeit eine Art „Lebensretter“, doch gleichzeitig haben sie mir oft auch im Weg gestanden – insbesondere in engen Beziehungen oder in stressigen Situationen.



Einfluss auf Beziehungen


  • Trauma beeinflusst auch, wie wir Beziehungen führen und auf andere reagieren. Es fällt schwer, anderen zu vertrauen, da das Gefühl von Sicherheit tief erschüttert wurde. Manche suchen intensiv nach Anerkennung und Sicherheit in Beziehungen, was zu Abhängigkeiten führen kann. Andere wiederum entwickeln Bindungsangst und halten emotionalen Abstand, aus Angst, erneut verletzt zu werden.



Selbstwahrnehmung und Identität

  • Schließlich wirkt sich ein Trauma auch auf unser Selbstbild und unser Selbstwertgefühl aus. Viele Betroffene kämpfen mit Scham- und Schuldgefühlen, da sie glauben, für das Geschehene verantwortlich zu sein. Das Selbstwertgefühl leidet stark, was das Gefühl verstärken kann, nicht gut genug zu sein oder kein Glück verdient zu haben. In manchen Fällen führt das Trauma dazu, dass Menschen den Kontakt zu ihren Werten und Lebenszielen verlieren, was das Leben leer und sinnlos erscheinen lässt.



 


Unser Nervensystem: Zwischen Anspannung und Entspannung



Wir haben nun erfahren welche schwerwiegenden Auswirkungen ein Trauma auf die psychische Gesundheit hat - wie aber sieht es mit den physischen Auswirkungen aus?


Um diese Auswirkungen im Körper wirklich verstehen zu können, sollten wir einen Blick auf unser autonomes Nervensystem werfen. Dort gibt es zwei große Player die fast alle unserer überlebenswichtigen Körperfunktionen regeln:




Der Sympathikus und der Parasympathikus.

Sie steuern eine Vielzahl an unbewussten Prozessen im Körper. Unter anderem:


  • Herzschlag

  • Blutdruck

  • Atmung

  • Verdauung.


Beide Systeme spielen eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung und der Reaktion auf Traumata. Im Zusammenhang mit Traumata können sie stark aus dem Gleichgewicht geraten, was langfristige Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit hat.



Der Sympathikus – „Kampf- oder Fluchtmodus“

Der Sympathikus ist sozusagen unser "Wachmacher" und ist für die Aktivierung des Körpers in Stresssituationen verantwortlich. Er wird oft als „Kampf- oder Fluchtmodus“ bezeichnet, da er die Körperfunktionen hochfährt, sobald wir einer vermeintlichen Gefahr ausgesetzt sind. Nehmen wir nun eine Bedrohung wahr, versetzt der Sympathikus unseren Körper in Alarmbereitschaft was sich in einen Zustand erhöhter Wachsamkeit und Muskelanspannung zeigt. Typische körperliche Reaktionen auf eine Aktivierung des Sympathikus sind:


  • Erhöhung der Herzfrequenz

  • Steigerung des Blutdrucks

  • Erweiterung der Bronchien (für eine bessere Sauerstoffversorgung)

  • Hemmung der Verdauung (um Energie für Notfallaktionen freizusetzen)

  • Freisetzung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol


Bei traumatischen Erlebnissen wird der Sympathikus häufig sehr stark aktiviert. Der Körper reagiert auf die Bedrohung, als ob er kämpfen, fliehen oder erstarren müsste. Dies kann sich schon wie oben bereits erwähnt in Symptomen zeigen wie:


  • Anhaltende Angstzustände oder Panikattacken

  • Schlafstörungen oder Alpträume

  • Reizbarkeit und Überreaktionen auf normale Stressoren

  • Schwierigkeiten, sich zu entspannen oder „abzuschalten“




Der Parasympathikus – „Ruhen und Verdauen“

Der Parasympathikus hingegen ist unser "Ruhepol" - er ist für die Regeneration und Erholung des Körpers zuständig., so das du nach einer Stresssituation wieder in einen entspannten Zustand übergleiten kannst.


Typische Funktionen des Parasympathikus sind:


  • Verlangsamung des Herzschlags

  • Senkung des Blutdrucks

  • Anregung der Verdauung

  • Förderung der Regeneration und Heilung


Der Parasympathikus hilft dem Körper, nach einer Aktivierung des Sympathikus wieder in den Normalzustand zurückzukehren. Nach einem traumatischen Erlebnis kann jedoch die Fähigkeit des Parasympathikus beeinträchtigt sein, den Körper effektiv in einen entspannten Zustand zu versetzen.


 

Traumata und das Ungleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus


Nach einem Trauma kann es vorkommen, dass das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus gestört ist. In akuten traumatischen Situationen ist es ganz normal, dass der Sympathikus den Körper in Alarmbereitschaft versetzt, um auf die Bedrohung zu reagieren. Doch ist es nach einen Trauma meistens so das der Körper noch lange, manchmal sogar jahrzehnte lang, in Alarmbereitschaft bleibt, obwohl die akute Gefahr schon längst vorbei ist.


Bessel van der Kolk, Psychiater und einer der weltweit führenden Experten in der Erforschung von Traumata, beschrieb es in seinem Buch: "Das Trauma in dir" so:


"Es ist so als würde die Vergangeheit und die Gegenwart auf einer Zeitlinie gekrümmt werden, so das beide Zeitachsen miteinander kollidieren und die Vergangenheit dadurch zur Gegenwart wird. Unser Organismus reagiert auf die jeweilige Gefahr genauso, wie wir uns zum damaligen Zeitpunkt verhalten haben."



Wenn gar nichts mehr möglich ist: Die Erstarrung

Wie bei dem Punkt Selbstschutzmechanismen schon erwähnt, kann das Nervensystem in einigen Fällen kauch in die entgegengesetzte Richtung verschieben. Manche Menschen, die schwere Traumata erlebt haben, können sich neben dem "Kampf oder Fluchtmodus" in einen „Erstarrungszustand“, dem sogenannteen "Freeze" Zustand, begeben. Hierbei handelt es sich um eine Art „Schutzabschaltung“, die wie bei einen Stromschaltkreis bei völliger Überladung alles herunterfahren kann, um die überwältigende Situation zu überleben. Dieser Zustand geht oft einher mit Gefühlen von:


  • innerer Taubheit oder emotionale Distanz

  • Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen oder Motivation zu finden

  • Geringe Energie oder Erschöpfung

  • Gefühle der Hoffnungslosigkeit oder Depersonalisation


 


Wie geht es nun aber weiter?


Wie du erfahren hast kann ein Trauma das Gleichgewicht unseres Nervensystems drastisch stören und uns in einen ständigen Zustand der Alarmbereitschaft oder Erstarrung versetzen. Diese körperlichen und emotionalen Reaktionen sind oft tief verankert und haben das Potenzial, unser gesamtes Leben zu beeinflussen – unsere Beziehungen, unser berufliches Umfeld und vor allem unsere innere Welt. Doch all dies bedeutet nicht, dass wir auf alle Ewigkeit in diesen Mustern gefangen und somit ihre Sklaven bleiben müssen. WIr können aktiv etwas tun.Doch ist Heilung nichts was über Nacht geschiet, es ist fast immer ein langer und vor allem sehr steiniger Weg.



Im nächsten Teil werde ich genauer auf diese verschiedenen Wege eingehen und welche Methoden und Ansätze dich dabei unterstützen können, dein Nervensystem zu beruhigen und wie du die Kraft, die in einem Trauma steckt, nutzen kannst, um langfristig zu wachsen.



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